Heimat in Not und Elend

Auszug aus Jubiläums-Ausgabe der Oldenburgischen Volkszeitung“ vom Donnerstag, den 5. April 1934

Heimat in Not und Elend

Das Münsterland im dreißigjährigen Krieg – Das Schicksal der Gemeinde Emstek als Beispiel – Was unsere Vorfahren erlebten, litten und opferten – „Und neues Leben blüht aus den Ruinen“ – Von Konrektor H. Ostendorf, Lohne

Auf den Spuren des Krieges in der Bauerschaft Höltinghausen

Die Bauerschaft Höltinghausen hatte zu Kriegszeiten 7 Ganzerben, 3 Halberben, 3 Brinksitzer mit Pferden und 3 Brinksitzer ohne Pferde. Am besten scheint der Ganzerbe Claus den Krieg überstanden zu haben. Er hat ein Haus von 6 Fach, hält als einziger in der Bauerschaft einen Knecht und eine Magd; die 1651 vorhandenen 7 abgehenden Söhne scheinen verheiratet zu sein. Auf Mertens Stelle – ein Haus von 6 Fach ist vorhanden – lebt nur die Witwe und ein Sohn; sonst ist niemand auf dem Erbe. Desgleichen bei Schepers, die ein Haus von 5 Fach besitzen; Mutter und Tochter haben die wilden Zeiten allein überstanden. Bei Albers und Budden – Häuser von je 4 Fach – regieren ebenfalls Witwen die Stelle; bei Albers verblieben zwei minderjährige Kinder und bei Budden ein 30 Jahre alter Sohn. Auf Buddens Hofe im Spieker lebt außerdem eine alte, aber arme Frau Grete. Laings Haus liegt noch von der Kriegszeit in Asche; man konnte keinen Bau aufziehen und wohnt derweil in einem Schoppen von 2 Fach. Mann, Frau und Tochter erscheinen immer in den Registern als „pauper“ oder arm, von denen eine Steuer nicht zu holen ist. Auch Armann ist verbrannt und die Brandstelle niedergefallen, der Platz wüst und leer. Akmanns Johann liegt mit seiner Frau und der 4 Jahre alten Tochter Metke zwischen zwei Pfählen in der Erde; er hatte sich also eine Erdwohnung beschafft, weil ihm jegliche Mittel und vielleicht auch noch der Mut zum Hausbau abgingen. 20 Jahre nach dem Kriege besitzt er erst wieder eine Kuh, 1 Ferkel und 10 Schafe; ein Pferd nennt er noch nicht sein eigen. Und als man 1669 die Witwe zum Kirchspielschatz ansetzt, bleibt sie armutshalber frei. Es heißt: „Die Witwe hat 1 ½ Moldersaat Land, davon die Schatzung nicht kommen kann. Ordinairer Schatz 1 ½ Rthr.“ Und die folgenden Eintragungen bringen immer den Satz: Bittet um Gotteswillen um Erlaß.
Beim Halberben Frieling wird – im Spieker wohnend – ein Heuermann gemeldet, der 1 Kuh und sonst kein Vieh hält. Der Heuermann Hermann Möller ist bereits 80 Jahre alt und kinderlos. Auf dem Erbe selbst lebt Frielings Witwe und ihr 30 Jahre alter Sohn. Das Halberbe Helmerich Lohmann liegt wüst und leer; der Bauer hat das Erbe verlaufen und war auf und davon gegangen. Später kehrt er heim, denn der Boden zieht, und die Regierung ging daran, herrenloses Land an aufbauwillige Kräfte umsonst auszutun. Auch das Halberbe Henrich Lohmann hat keinen Besitzer, und das Haus liegt wüst. Konnte man von 9 Scheffelsaat Land nicht leben und schatzen? Nur eine alte Magd hütet als treue Wächterin angestammtes Eigentum und sichert durch ihre Gegenwart vor unerwünschten Zugriffen solange, bis der Bauernmut sich derart steigerte, daß der Groll über geschehenes Unrecht von der Heimatliebe besiegt ist. Beim Brincksitzer Lücken Cordt hausen Mutter u. Sohn von 40 Jahren; sie und der Brinksitzer Johann Focke sind lahm. Lücken Haus hat 3, Fockes Haus 4 Fach. Grieshops wohnen derweil in einem Schoppen, denn ihr Haus verwandelte der Krieg in einen Aschenhaufen. Auch er bittet um Gotteswillen um Erlaß. Berndt Blanke, der ein Haus von 2 Fach und einen lahmen Sohn hat, ist arm; kaum kann er 1 Kuh, 1 Kalb und ein Schwein halten, schon eher vermag die nahe Heide 10 Schafe zu ernähren. Der lange Henrich (Lohmann) ist allein in seinem Häuschen und auf seinem Erbe. Wilken Haus zählt 3 Fach und beherbergt neben der 60jährigen Witwe deren Sohn Henrich und die Tochter Hille (26 bzw. 27 Jahre alt). – Heuerleute finden sich nur bei Albers, Schepers, Claus, Frieling und Budden. Die Bauerschaft Höltinghausen hat 1665 in 18 Haushaltungen ca. 80 Einwohner. Der Gesamtviehbestand beläuft sich 1669 auf – man bedenke wohl, daß seit Kriegsende bereits 20 Jahre ins Land gegangen waren – 16 Pferde, 36 Milchkühe, 32 Rinder, 25 Schweine und 450 Schafe; 1545 waren es 33 Pferde, 68 Milchkühe, 85 Rinder, 59 Schweine und 540 Schafe.

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